Du bist also knapp davor, einen ETF zu kaufen. Nun stehst du vor einer der interessantesten Fragen der Finanzwelt: Soll dein ETF thesaurierend oder ausschüttend sein?
Rein rational ist die Antwort klar. Doch wie überall im Leben spielen die Emotionen eine wichtige Rolle. Mehr dazu im Artikel. Am Ende wirst du eine für dich richtige Entscheidung treffen!
Was bedeutet thesaurierend oder ausschüttend?
Jeder ETF, der in Aktien investiert und somit Teile eines Unternehmens besitzt, erwirtschaftet Dividenden. Der Unterschied zwischen einem ausschüttenden und einem thesaurierenden ETF ist, dass der ausschüttende ETF die Dividenden auszahlt auf dein Verrechnungskonto, während der thesaurierende ETF die Dividenden automatisch reinvestiert. Unterm Strich bleibt dir das gleiche Gesamtvermögen. Wenn da nicht Steuern und Gebühren wären. Und allzu Menschliches.
Unterschied zwischen thesaurierendem ETF und ausschüttendem ETF in Zahlen
ausschüttender ETF | thesaurierender ETF | |
---|---|---|
Depotwert am Anfang des Jahres | 1.000 € | 1.000 € |
Gewinn in dem Jahr | 100 € | 100 € |
davon Dividenden ausgezahlt | 30 € | |
Kapitalertragssteuer 26,38% nach 30% Teilfreistellung | 5,54 € | 0,09 € |
auf dein Konto | 24,46 € | -0,09 € |
Depotwert am Ende des Jahres | 1.070 € | 1.100 € |
Gesamtvermögen am Ende des Jahres | 1.094,46 € | 1.099,91 € |
Vielleicht denkst du jetzt, dass ein thesaurierender ETF steuerlich besser ist. Du musst aber nur Steuern bezahlen, wenn dein jährlicher Steuerfreibetrag schon ausgeschöpft ist.
Und auch beim thesaurierenden ETF sind Steuern fällig bei Verkauf auf den Gewinn, nur eben später. Es gibt weitere kleine aber feine Unterschiede, die es zu beachten gilt:
Vorteil thesaurierender ETF
Die Dividende bleibt investiert und erwirtschaftet mehr Rendite
Anders als beim ausschüttendem ETF, wird die Dividende beim thesaurierenden ETF automatisch reinvestiert. Dadurch bleibst du über das Jahr hinweg an der Börse investiert und kannst von dem Zinseszinseffekt profitieren.
Die Zinsen am Verrechnungskonto sind derzeit gering. Die Dividenden des ausschüttenden ETF liegen da so rum ohne viel Zuwachs. Erst, wenn du für das Geld wieder Aktien kaufst, arbeitet es für dich.
Sind dir Opportunitätskosten ein Begriff?
Das sind die Kosten, die dir entstehen, wenn du dein Kapital nicht investierst, sondern am Konto parkst. Diese sind ohne Frage beim thesaurierenden ETF geringer.
Du ersparst dir die Transaktionskosten
Sobald du die ausgeschüttete Dividende wieder veranlagen willst und neue ETF-Anteile kaufst, entstehen Transaktionskosten. Viele Broker erlangen Fixkosten pro Order-Kauf. Die ersparst du dir, wenn deine Dividenden immer investiert bleiben.
Weniger Arbeit, es läuft einfach alles weiter
Ein weiterer Vorteil von thesaurierenden ETFs ist, dass sie weniger Arbeit machen. Du musst nicht regelmäßig dein Verrechnungskonto kontrollieren, um zu sehen, wie viel Dividenden sich angesammelt haben. Du musst weniger häufig nachkaufen. Vielleicht bist du sogar verleitet, einen Order-Kauf zu verschieben, weil der Börsenkurs gerade abrutscht? Das könnte durchaus passieren, deine Emotionen darfst du nicht außer Acht lassen! Niemand weiß genau, wann die Kurse wieder steigen. Am Ende verpasst du noch den Gewinn.
Mehr Anlagedisziplin, weniger Konsum
So ein paar hundert Euro mehr am Verrechnungskonto können schon dazu verführen, das Geld zu konsumieren. So jedenfalls wäre es bei mir. Warum nicht den edlen Teppich aus Bioschurwolle kaufen anstatt den aus Biobaumwolle? Ich könnte den höheren Preis ja finanzieren aus den Dividenden.
Genau deswegen ist es besser, wenn mein Geld im ETF bleibt. Denn ich sehe mein Investment als Altersvorsorge. Für einen hochwertigeren Teppich würde ich nicht Anteile von meiner Altersvorsorge verkaufen. Bei Dividenden liegt die Sache aber anders, obwohl sie praktisch das Gleiche sind.
Kleiner Steuervorteil bei thesaurierenden ETFs
Dividenden werden bei dem ausschüttenden ETF in dem Moment versteuert, in dem sie ausgezahlt werden. Hier fällt die volle Abgeltungssteuer an.
Auch thesaurierende ETFs werden versteuert. Die Steuer fällt am Anfang des Jahres für das Vorjahr an mit der sogenannten Vorabpauschale. Sie setzt sich zusammen aus dem Fondsertrag in dem Jahr, dem Aktienanteil des Fonds und einem Basiszinssatz, der jedes Jahr neu vom Finanzministerium vorgeschrieben wird.
Der Vorabpauschale ist durch den aktuell sehr niedrigen Basiszinssatz gering. Viel geringer als die Abgeltungssteuer.
Erst bei endgültigem Verkauf von ETF-Anteilen ist die Gesamtsteuer bei Thesaurierer und Ausschütter gleich hoch.
Du hast also einen kleinen Vorteil bei der Steuerstundung bis zum endgültigen Verkauf. Es ist immer von Vorteil, die Steuer später zu bezahlen als heute. Denn bis dahin kannst du mit der gesparten Steuer noch Gewinn erwirtschaften.
Laut Gerd Kommer Invest ist dieser Steuerstundungseffekt bis zu einem Basiszinssatz von 1,1 % merkbar. Ab 3,85 % Basiszinssatz ist der ausschüttende ETF lukrativer.
In unserer Niedrigzinsphase ist der thesaurierende ETF klar im Vorteil. Falls die Dividenden und etwaigen Kursgewinne bei Verkauf unter dem jährlichen Sparerpauschalbetrag von 801 Euro pro Person oder 1.601 Euro für ein Ehepaar + 30 % Teilfreistellung liegen, zahlst du ohnehin keine Steuer.
Anmerkung Steuer und ETFs
Seit der Reform des Investmentsteuergesetzes 2018 fällt eine Pauschalbesteuerung an für ETFs. Wenn du diese Steuer genauer verstehen willst, dann empfehle ich dir den Artikel von Finanztip. Um deine persönliche Vorabpauschale zu berechnen, hat mir der Rechner bei Finanzfluss weitergeholfen.
Vorteil ausschüttender ETF
Nach den vielen Vorteilen des thesaurierenden ETF siehst du hier nun eine kleine und feine Liste der Vorteile eines ausschüttenden ETFs. Die darfst du nicht unterschätzen. Wenn dir dein Gefühl sagt, dass du langfristig diszipliniert und motiviert anlegst aufgrund dieser Punkte, dann wähle den ausschüttenden ETF. Das Wichtigste ist, dass du am Ball bleibst. Ein steuerlicher Aspekt hier oder ein paar Transaktionskosten da sind nicht so ausschlaggebend.
Steuer auf Dividenden wird automatisch einbehalten
Bei einem ausschüttendem ETF werden die Steuern auf deine Dividenden automatisch einbehalten. Du siehst die Steuerzahlung also nicht. Bei einem thesaurierenden ETF musst du die Vorabpauschale bezahlen von deinem Verrechnungskonto. Da hilft kein Herumreden: Dieser Posten schmerzt, obwohl die Steuern natürlich auch beim ausschüttenden ETF anfallen.
Die Gefühle sind entscheidend
Bleiben wir beim Beispiel mit dem teuren Schurwoll- oder dem günstigeren Biobaumwoll-Teppich: Ist es nicht ein tolles Gefühl, dass deine Geldanlage dir den teureren Teppich finanziert? Das ist es ja: Deine Dividenden sind dein passives Einkommen. Du musst dafür nicht arbeiten.
Du hast klug und richtig entschieden, dein Geld an der Börse anzulegen. Jetzt arbeitet dein Investment für dich und belohnt dich regelmäßig mit Dividenden. Viele finden das motivierend und wollen immer mehr sparen, nur für diesen Rausch des passiven Einkommens. Wenn du dazu gehörst, dann kannst du dich mit einem guten Gefühl für den ausschüttenden ETF entscheiden.
Welcher ETF ist nun besser: thesaurierend oder ausschüttend?
Am Ende des Artikels kann ich dir nur empfehlen: Hör auf dein Herz. Oder deinen Bauch. Je nachdem, wo du deine Intuition und Selbstkenntnis verortest. Spornt es dich an, mehr zu investieren, wenn du regelmäßig dafür belohnt wirst wie bei einem ausschüttenden ETF? Oder denkst du, dass du mehr erwirtschaften kannst und dabei weniger Arbeit hast, wenn die Dividenden automatisch reinvestiert werden wie beim thesaurierenden ETF?
Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen. Doch wenn du sie für dich selbst getroffen hast, bleibst du länger am Ball. Und das ist schließlich das A und O beim Vermögensaufbau.
Für welchen ETF hast du dich entschieden? Für einen ausschüttenden oder einen thesaurierenden? Auf dein Kommentar freue ich mich schon.
Hallo Eva,
Danke für die Erläuterung. Ich hatte mich auch für einen thesaurierenden
ETF entschieden. Aber: heute wollte ich dem durch eine Sparrate
gefütterten Depot eine Einmalzahlung hinzufügen
bei comdirect. Hierfür wollte ich mich einlesen, (Ich Anfängerin) und
beim Forum auch darauf gestoßen, dass dort empfohlen wird, bis ca.
60.000 € (ab diesem Betrag kommen dann bei 801,00 € Freibetrag und damit
ca. 211 Euro Steuerersparnis; vorher sind es natürlich weniger
Steuerersparnis) bei Ledigen auf ausschüttende ETF zu setzen. Da damit
der Freibetrag jedes Jahr genutzt werden kann.
vgl:
https://community.comdirect.de/t5/Wertpapiere-Anlage/Von-thesaurierenden-auf-aussch%C3%BCttenden-ETF-wechseln-in-meinem/m-p/66346#M40362.
Ich bin jetzt verunsichert und lasse meine Einmalzahlung noch kurz
ruhen.
Ich glaube, ich muss mich jetzt etwas einlesen bzw rechnen 🙂 Jetzt am
Anfang entspricht das ja fast nichts. Aber später schon.
Beim thesaurirenden zahle ich später dann 26,375 % Steuer (plus
Kirchensteuer ggf.) und habe nur einmal den Freibetrag als Hilfe.
Was denkst du dazu?
Beste Grüße und einen guten Rutsch, Theresa
Hallo Theresa,
Natürlich kannst du das machen. Doch ich denke, der Aufwand lohnt sich nicht. Du kannst als Alleinstehende maximal 211 Euro pro Jahr damit sparen. Nach 30 Jahren sind das vielleicht ca. 18.000 Euro mit Zinseszins.
Das hört sich erstmal super an. Doch ist es das Wichtigste, dass du die Dividenden von dem ausschüttenden ETF sofort investierst. Ansonsten geht dir viel Zinseszins verloren und die Strategie kostet eher als das sie Geld verschafft.
Viele Broker bieten eine automatische Wiederanlage der Dividenden an. Nur unter dem Gesichtspunkt wäre es meines Erachtens denkbar. Dieses Service ist manchmal teuer. Dann geht die Zusatzrendite verloren. Auch die Orderkosten könnten steigen, wenn du mehr ETF Anteile kaufst.
Dazu kommt, dass du mit einem Thesaurierenden ETF auch etwas von der Pauschale nutzen kannst. Ich bezweifle also, dass du auf 211 Euro Ersparnis pro Jahr kommst.
Also Fazit: ist möglich, doch mit Arbeitsaufwand und etwas Rechnerei. Dividenden musst du sofort wieder Investieren. Für mich persönlich wäre es etwas zu viel Arbeit. Doch wenn du das anders siehst, ist das durchaus eine Möglichkeit.
Eine ähnliche Steuerersparnis mit weniger Aufwand hast du, wenn du jedes Jahr einen Teil deiner Aktien verkaufst. Der Gewinn sollte genauso hoch sein, wie die Sparerpauschale + 30 % Teilfreistellung (801 Euro + 30 % = 1.041 Euro). Dann hättest du auch mit einem thesaurierenden ETF Steuer optimiert.
Viele Grüße, Eva