Alleinerziehende Mutter Sarah: „Das hätte ich gerne früher gewusst!“

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Alleinerziehende sind nicht allein: In Deutschland leben mehr als 2,6 Millionen Alleinerziehende, die sich ohne Partner um Kindererziehung, Haushalt und Arbeit kümmern müssen. Wobei mit über 90 % viel mehr Mütter alleinerziehend sind.

Alleinerziehende und Geld sind oft ein heikles Thema.

Das ist verständlich. Bei all den Verpflichtungen bleibt kaum Zeit, sich Gedanken zu machen über eine optimale Geldanlage, zumal das Haushaltseinkommen bei vielen gerade so die Lebenshaltungskosten deckt. Sparen scheint nicht möglich zu sein.

Besonders betroffen von dieser schwierigen Lage ist die eigene Altersvorsorge. Es überrascht nicht, dass der jährliche Informationsbrief der Deutschen Rentenversicherung nur ungern geöffnet wird: Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums gehen 68 % der alleinerziehenden Frauen im Alter von 30 bis 50 davon aus, dass ihre Rente nicht zum Leben reichen wird.

Da dieses Thema in unserer Gesellschaft gemeinhin zu wenig diskutiert wird, und die Stimmen von Alleinerziehenden und ihren Finanzen nur zu oft untergehen bei den vielen Arbeiten, die sie leisten müssen, wollen wir heute ein Interview mit der alleinerziehenden Mutter Sarah von mutter-und-sohn.blog veröffentlichen. Sie hat uns sehr ehrlich und berührend die Lage der Alleinerziehenden geschildert. Vielen Dank Sarah, du bist ein großes Vorbild!

Welche Themen im Bereich alleinerziehende Mutter und Finanzen sind deiner Meinung nach besonders wichtig?

Sarah: Ich halte es nach einer Trennung für sehr wichtig, dass das emotionale, finanzielle und rechtliche Gleichgewicht zwischen den Ex-Partnern wieder hergestellt, bzw. überhaupt erst erreicht wird. Dadurch werden auch die gemeinsamen Kinder geschützt.

Nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes sind fast 90% aller Alleinerziehenden Frauen. Viele Frauen verlassen sich aber noch immer innerhalb einer langjährigen Beziehung oder Ehe in Bezug auf finanzielle Fragen auf die Expertise ihres männlichen Partners. Also empfinde ich es zunächst als wichtig, dass alle nötigen Informationen für (frisch) Allein- oder Getrennterziehende, z.B. zu Kindes- und Betreuungsunterhalt, zu Möglichkeiten staatlicher Zuschüsse wie Wohngeld oder Kinderzuschlag sowie zu familien- und steuerrechtlichen Fragen anschaulich aufbereitet und zentral gebündelt angeboten werden. Das kann auf kommunaler Ebene geschehen, über ein online zugängliches Infoportal oder über Infobroschüren, die in Kinderarztpraxen, Beratungsstellen oder auch Kindergärten und Schulen ausliegen. Auch Interessenverbände Alleinerziehender wie z.B. der Verein alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) sind hier bereits deutschlandweit aktiv, nur wissen viele frisch Allein- und Getrennterziehende gar nichts davon.

Was nach einer Trennung oft fehlt, ist Ruhe und Zeit.

Auch die Zeit, sich durch Dutzende von Ratgebern zu lesen oder von zehn verschiedenen Institutionen beraten zu lassen. So ist z.B. das Jugendamt in erster Linie für den Kindesunterhalt zuständig, bei Fragen bezüglich des Betreuungsunterhalts empfiehlt sich die Beratung durch einen Anwalt. Um hierbei anfallende Anwaltskosten zu finanzieren, kann beim zuständigen Amtsgericht ein Beratungshilfeschein beantragt werden. Dies ist wiederum vielen Allein- und Getrennterziehenden gar nicht bekannt. Ihnen fehlt häufig ein solides Netzwerk aus Menschen in ihrer Situation und somit die Möglichkeit, über persönliche Kontakte an das benötigte Wissen zu kommen. Das könnte ein solches Informationsportal zumindest ein Stück weit auffangen. Das Wissen um Hilfsangebote ist eine extrem wichtige Ressource, auf die meiner Meinung nach noch viel mehr Allein- und Getrennt erziehende Zugriff haben sollten.

Meiner Meinung nach sind auch die Themen Sparen, langfristige Geldanlage und Altersvorsorge gerade für alleinerziehende Frauen wichtig, da sie aufgrund der Kinderbetreuung oft nur eingeschränkt ihrer Berufstätigkeit nachgehen können und dadurch akut von Altersarmut bedroht sind. Zudem fällt in ihrem Familienleben ein Einkommen weg und längst nicht immer wird der Betreuungs- oder Kindesunterhalt in voller Höhe bezahlt. In Kombination mit dem Gender Pay Gap (also der tendenziell schlechteren Bezahlung von Frauen im Beruf) und höheren Fixkosten, z.B. durch Miete und Wohnnebenkosten, bedeutet das: effektives und nachhaltiges Wirtschaften ist für Alleinerziehende besonders wichtig.

Wie regeln der Vater deines Sohnes und du die Finanzen rund um euer Kindes?

Sarah: Mein Expartner und ich waren nicht verheiratet und besaßen bei der Trennung auch keine gemeinsame Immobilie, über die wir uns einig werden mussten. Zudem war ich seit dem ersten Geburtstag unseres Sohnes wieder berufstätig und wusste, ich konnte grundsätzlich auch allein für meinen und den Lebensunterhalt unseres Sohnes aufkommen. Da wir uns nach der Trennung für das Wechselmodell entschieden, einigten wir uns darauf, gegenseitig auf Betreuungs- und Kindesunterhalt entsprechend der Düsseldorfer Tabelle zu verzichten. Allerdings beteiligte sich mein Expartner im ersten Jahr nach der Trennung, in der unser Sohn mehr Zeit bei mir verbrachte und ich, da er noch klein war, nur eine 50%-Stelle hatte, mit einem monatlichen Beitrag an unseren Lebenshaltungskosten. Die Miete für die Wohnung, die ich jetzt alleine mit meinem Sohn nutze, übernehme bis heute ich, ebenso wie die Krankenversicherungsbeiträge für unseren Sohn und die Kita-, bzw. Kindergartenbeiträge. Als Ausgleich haben wir uns darauf geeinigt, dass ich das volle Kindergeld beziehe und die Kinderbetreuungskosten alleine steuerlich geltend machen kann. 

Welchen Tipp zu „Alleinerziehende Mutter und Finanzen“ hättest du gerne schon früher bekommen? 

Sarah: Womit ich mich mit zunehmendem Interesse befasse, ist eine fundierte Altersvorsorge sowie Investitionsmöglichkeiten, um bei der heutigen Anlageverzinsung überhaupt noch Gewinne zu erzielen. Ich gebe zu, dass mir hier Glaubenssätze wie „Geld ist mir eigentlich nicht wichtig“ und auch eine gewisse Risikoscheu im Wege stehen. Ich bin also diesbezüglich nicht vor klischeehaft weiblichen „Finanzfallen“ gefeit.

Ich bedauere auch etwas, mich nach der Geburt unseres Sohnes nicht genauer über die Leistungen meiner privaten Krankenversicherung informiert zu haben. Anders als die gesetzliche Familienversicherung übernimmt diese weder eine Haushaltshilfe im Krankheitsfall noch zahlt sie einen Lohnausgleich, falls mein Expartner oder ich aufgrund einer Erkrankung unseres Kindes bei unserer Arbeit „Kinderkrankentage“ nehmen müssen. Vor allem die Finanzierung einer Haushaltshilfe im Fall einer ernsten Erkrankung finde ich für getrennt erziehende Eltern sehr sinnvoll. Ohne Großeltern oder andere Helfer vor Ort entsteht sonst leicht eine Notsituation. 

Wie oft sprichst du über Geld mit deinem Expartner im Monat?

Sarah: Das Thema Geld war in der Vergangenheit zwischen meinem Expartner und mir immer wieder Thema und die Gespräche darüber sind bis heute nicht immer einfach. Das Thema Geld ist ja häufig mit dem Bedürfnis nach (finanzieller) Sicherheit oder gegenseitiger Wertschätzung verbunden. Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, ist, die Bedürfnisse des anderen auch bei finanziellen Themen ernst zu nehmen und gegeben Falls auf seine Wünsche einzugehen, sich aber auch darüber klar zu werden, worauf man selbst auf keinen Fall verzichten möchte.

Gerade das Thema „Unterhalt“ kann nach einer Trennung ja schnell zu Streit führen. Wer zahlt, fühlt sich vielleicht „ausgebeutet“ und der oder diejenige, der auf den Unterhalt angewiesen ist, empfindet leicht ein Gefühl von Frustration und Ohnmacht, wenn der Expartner oder die Expartnerin diesen eigenmächtig kürzt oder nicht regelmäßig überweist. Hier mag es tatsächlich hilfreich sein, das Jugendamt mit einem Verfahrensbeistand einzuschalten, da dieser mit mehr Neutralität an das Thema herangehen kann, was den getrennt lebenden Eltern oft nicht möglich ist. Eine Freundin von mir hat nach ihrer Trennung einen solchen Beistand des Jugendamts eingeschaltet. Letztlich hat das die Lage zwischen ihrem Expartner und ihr entspannt. Die persönlichen Auseinandersetzungen über das Thema Geld fielen dadurch schlicht weg.

Legt ihr Geld für euer Kind an?

Sarah: Wir legen beide monatlich einen gewissen Betrag für unseren Sohn an. Noch nutzen wir dafür ein schlichtes Tagesgeldkonto, eventuell kommt perspektivisch auch in Frage, dass ich in eine Eigentumswohnung investiere, deren Mieteinnahmen unserem Sohn während seiner Ausbildung und mir für die Altersvorsorge zugutekommen könnten. 

Welchen Tipp hast du bezüglich Regelung des Nachlasses oder der Vorsorgevollmacht?

Sarah: Ich finde es wichtig, sich Gedanken zu machen, wer sich im Todesfall um das Kind kümmern und die finanziellen Dinge, die es betreffen, regeln würde. Ich habe zu diesem Zweck tatsächlich ein Testament formuliert, das ich in regelmäßigen Abständen aktualisiere. Im Krankheitsfall würde sicher der Vater meines Sohnes weiter die Alltagssorge für ihn übernehmen. Für Alleinerziehende, die keinen oder einen sehr schlechten Kontakt zu ihrem Expartner haben, finde ich eine Vorsorgevollmacht (ggf. notariell beglaubigt) jedoch sehr wichtig. 

Wie könnte die Politik eine alleinerziehende Mutter und deren finanzielle Situation stärken?

Sarah: Meiner Meinung nach könnte die Politik Alleinerziehende deutlich durch Änderungen im Steuerrecht stärken (z.B. durch die volle Anerkennung von Kinderbetreuungskosten für Alleinerziehende statt der bisher üblichen 2/3, die steuerlich absetzbar sind). Auch der Freibetrag für Alleinerziehende in Steuerklasse II ist meiner Kenntnis nach nach wie vor weniger ergiebig als das Ehegattensplitting, das für Ehepaare gilt, unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Hier sollte dringend etwas geändert werden. Außerdem müssen Alleinerziehende, sobald sie ihre Wohnung mit einer Person über 18 als Wohngemeinschaft teilen, eine getrennte Haushaltsführung nachweisen, ansonsten rutschen sie wieder in die hoch besteuerte Steuerklasse 1. Als Mitbewohner gilt übrigens auch das eigene volljährige Kind, sobald es sich nicht mehr in Ausbildung oder Studium befindet und für es kein Kindergeld mehr bezogen wird.

Während der Corona-Krise hat sich auch gezeigt, dass die Politik Alleinerziehende insgesamt mit ihren Bedürfnissen zu wenig „mitdenkt“.

So dauerte es fast zwei Monate, bis endlich beschlossen wurde, berufstätige Alleinerziehende unabhängig von der Art ihrer beruflichen Tätigkeit durch Zugang zur Kinder-Notbetreuung zu entasten. Gerade diese Personengruppe ist aber oft besonders auf institutionelle Kinderbetreuung angewiesen, da eben nicht im Notfall der Partner oder die Partnerin einspringen kann.

Hier könnte man auch im Steuerrecht ansetzen, indem man z.B. das Ehegattensplitting durch ein „Familiensplitting“ ersetzt und den Erhalt des Steuervorteils daran koppelt, dass der Elternteil, der mehr in die Erwerbstätigkeit involviert ist und/oder mehr verdient, während der Phase der intensiven Kinderbetreuung regelmäßig in die Altersvorsorge des Elternteils einzahlt, der überwiegend für die Fürsorgearbeit zuständig ist.

Kinderlose Doppelverdiener könnten durch ihre Steuerabgaben zusätzlich eine Art Fürsorgegehalt für Alleinerziehende finanzieren, die aufgrund der Fürsorge für (kleine) Kinder oft gar nicht voll erwerbstätig sein können und so häufig von Altersarmut bedroht sind. Familiäre Fürsorgearbeit würde so auch finanziell aufgewertet, was Entwicklungen wie jetzt gerade, wo die Arbeit von Millionen Eltern wieder zur „Privatsache“ erklärt und neben der Erwerbstätigkeit ohne relevante Kinderbetreuung geleistet werden soll, verhindern könnte.

Familien – alleinerziehend oder nicht – sind durch den Generationsvertrag des Rentensystems und ihren Erziehungs- und Fürsorgeauftrag unentbehrlich für unsere Gesellschaft, das muss sich meiner Meinung nach auch in finanzieller Wertschätzung niederschlagen.

Als ärgerlich empfinde ich in diesem Zusammenhang, dass Leistungen wie der Kinderzuschlag, auch in seiner seit Anfang 2020 aktualisierten Form, offenbar noch immer zu wenigen Alleinerziehenden wirklich zugute kommt. Zumindest höre ich aus meinem Bekanntenkreis, dass Alleinerziehende z.B. durch Unterhaltszahlungen nach Berechnung des BMFSFJ nachwievor „zuviel“ Einkommen haben, obwohl sie de facto in ihrem Alltag ständig rechnen müssen. Immerhin sind die Kosten, die die Miete und die tägliche Versorgung der Kinder mit sich bringen, nie durch zwei teilbar und längst nicht jede Alleinerziehende erhält regelmäßig vom anderen Elternteil vollen Unterhalt. Hier klaffen die Versprechungen der Politik und die tatsächliche Umsetzung wohl nachwievor auseinander.

Insgesamt, denke ich, stärkt es Allein- und Getrennterziehende, wenn die Politik die Ein-Eltern-Familie als reales und positives Familienmodell thematisiert.

Immerhin wächst in Deutschland inzwischen fast jedes fünfte Kind bei nur einem Elternteil oder getrennt lebenden Eltern auf. Diese Wertschätzung müsste aber auch begleitet werden von konkreten Maßnahmen wie z.B. den oben genannten, sodass Allein- und Getrennterziehenden den rechtlichen und finanziellen Rahmen haben, um tatsächlich ein gutes und zufriedenes Leben mit ihren Kindern führen können.

Vielen Dank Sarah für die ausführlichen Antworten. Dir und deinem Sohn wünschen wir weiterhin alles Gute. Schön, dass du hier die Dinge zum Besseren verändern möchtest.

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Fazit:

Ein-Eltern-Familien werden in Deutschland noch immer als Sonderform gesehen. Das ist daran zu erkennen, wie kompliziert es für Alleinerziehende ist, relevante Informationen zu erhalten. Oder beispielsweise in Notfällen wie zuletzt die Covid-19 Situation, wo zu Beginn wie selbstverständlich von der Regierung davon ausgegangen wird, dass Alleinerziehende die Arbeit und Kindererziehung ohne Unterstützung leisten könnten.

Natürlich ist diese Erfahrung frustrierend für jeden, der davon betroffen ist. Und das sind viele! Jedes fünfte Kind in Deutschland wird nur von einem Elternteil erzogen.

Auch dank der aufopfernden Arbeit von Frauen und Männern, die alleinerziehend sind, lässt sich unsere Wirtschaft am Laufen halten. Es wird Zeit, dass wir das auch anerkennen.


Bist du auch alleinerziehend? Was sind deine Erfahrungen zu dem Thema Finanzen, Altersvorsorge und Ein-Eltern-Familien?

Eva Brauckmann

Über die Autorin:

Seit über 10 Jahren arbeite ich in der IT-Branche und beschäftige mich mit Finanzen. Auf einemillionsatoshi.de begeistere ich Frauen für Bitcoin. Bitcoin ist die größte Revolution unserer Generation. Bisher wurde das fast nur von Männern entdeckt. Ich bin Mutter eines Sohnes und einer Tochter. Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass beide ihre Potenziale auch in Zukunft gleich entfalten können. Folge einemillionsatoshi, um mehr zu erfahren.

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